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Tag 4: 11.04.2002 - die verbotene Stadt




Auch heute startete ich den Tag gut ausgeschlafen mit dem Breakfest in der Hobellobby. Heute wollte ich die verbotene Stadt besichtigen. Ich ließ mich mit einem Taxi auf den Platz des Himmlischen Friedens fahren. Das Wetter war sehr schön und die Sonne lachte, als ich durch das Tor des Himmlischen Friedens trat. Dieses Tor schließt sich direkt nördlich an den Platz des Himmlischen Friedens an und führt in die Verbotene Stadt. Auf dem großen Foto am Tor ist Mao Tse Tung, der Gründer der Volksrepublik China dargestellt. Ich befinde mich nun in dem kaiserlichen Wohnbereich. Er umfasst den Palast der Himmlischen Reinheit, die Halle der Einigkeit und den Palast der Irdischen Ruhe. Die der Mittelachse folgenden Gebäude wurden alle um 1420, zur Zeit der Ming-Dynastie, erbaut. Parallel zur Mittelachse reihen sich den zwei Nebenachsen folgend Gebäude jüngeren Datums. Die ganze Anlage wird auch "Verbotene Stadt" genannt, weil sie nicht nur allen "Normalsterblichen" verschlossen war, sondern grundsätzlich auch allen männlichen Wesen. Ausgenommen vom Verbot waren die männlichen Mitglieder der kaiserlichen Familie und die Hof-Eunuchen. Bevor ich in die verbotene Stadt gehen durfte, musste ich meinen Pass abgeben. Mir war schon etwas mulmig, mein einziges Dokument abzugeben, aber mir wurde versprochen, ihn am Ende meiner Besichtigung wieder zu bekommen. Nun stand ich im ersten Innenhof der verbotenen Stadt. Die gesamte Anlage ist noch heute beeindruckendes Zeugnis der Macht, des Reichtums und des Kunstsinn der Kaiser-Dynastien. Die Anlage zeigt in jedem Detail von Architektur und Ausstattung das Zeugnis vom Geist, der das Reich der Mitte über Jahrhunderte hin prägte. Man kann sagen: Im Kaiserpalast manifestiert sich eine Ideologie des Strebens nach Harmonie, die ihren Ausdruck in Symbolhaftigkeit findet. Die Anordnung der Gebäude, die architektonische, auf das Zentrum der Anlage bezogene, Differenzierung und Steigerung von Palast zu Palast, die Tierfiguren, welche Tore und Palasteingänge bewachen, die Farbigkeit der Fassaden und Räume, alles hat symbolischen Charakter. Immer geht es darum, die Mitte des Kosmos in Beziehung zur Mitte des Reiches, zum Kaiser, zu bringen. Nicht weil es schön ist, werden Wände und Lacksäulen in intensivem Purpurrot gehalten: Diese Farbe symbolisiert den Polarstern, der als Mittelpunkt des Kosmos gilt. Deshalb ist rot eine dem Kaiser, vorbehaltene Farbe. Wie das Purpurrot war das sogenannte "Strahlende Gelb" Privileg des Kaisers und seiner Familie. Beide Farben symbolisierten die Einzigartigkeit des Kaisers und seiner eigentlichen Aufgabe: Er hatte die Harmonie zwischen "Himmel" und "Erde" zu bewahren. Symbolwert haben auch die Tierfiguren und Tiermotive, denen man im Kaiserpalast auf Schritt und Tritt begegnet. Drachen symbolisieren kaiserliche Vollkommenheit, sie stehen für gelungene Einheit von Himmel und Erde und damit für das wahre Glück. Löwen sind Symbol für kaiserliche Macht Kraniche und Schildkröten für Glück und Beständigkeit. Elefanten sind Symbol für Frieden. So gut wie nichts hat nur Kunst- oder Gebrauchswert, alle Dinge und auch jeder Name wollen etwas vermitteln, eine Botschaft geben.

vergoldetes Dach in der verbotenen Stadt
der Löww: ein Symbol der Macht
der Touristenstrom
Blick auf die Nebengebäude der verbotenen Stadt

Neben sehr vielen Touristen sah ich auch eine Gruppe nordkoreanischer Kinder. Sie trainierten vor einer laufenden Kamera Konfu. Mich sprach auch ein adrett gekleideter Chinese an. Er stellte sich mir als Kunststudent vor und wollte mir seine Ausstellung zeigen. Ich folgte ihm in einen Randbereich der verbotenen Stadt und schaute mir seine Werke an. Seine Sammlung bestand aus etwa fünfzig Aquarellen, welche verschiedene chinesische Motive zeigten. Er fragte mich (wie ich mir bereits denken konnte), ob ich ein Bild kaufen möchte. Ich sagte ihm, dass ich nicht viel Geld dabei habe, aber ein kleines gerne kaufen würde und entschied mich dann für ein rot-gelbes Aquarell, auf dem ein See zu sehen ist. Ich bezahlte umgerechnet 10 Euro und verließ die Galerie.

trainierende nordkoreanische Kinder

Mittlerweile war ich vier Stunden in der verbotenen Stadt und hatte den größten Teil besichtigt. Die Anlage wurde auf einem 960 m langen und 750 m breiten, von einem 50 m breiten Wassergraben und einer über 10 m hohen Mauer umschlossenen Areal gebaut. Vier Tore bieten Zugang, das Mittagstor im Süden, das Tor der Göttlichen Militärkunst im Norden sowie das Östliche und das Westliche Blumentor. Der Legende nach zählte der Komplex aus Palästen, Pavillons und Tempeln genau 9999 Räume. Nur der Himmel durfte einen Palast mit 10000 Räumen besitzen. Der Kaiserpalast bildet eine kleine, streng gegliederte Stadt. Mittelpunkt, "Nabel des Palastes", sind die Drei Großen Hallen: die Halle der Höchsten Harmonie, die für wichtige Staatsangelegenheiten benutzt wurde, z. B. zur Inthronisation eines neuen Kaisers, für Neujahrsfeiern oder die Bekanntgabe der erfolgreichen Kandidaten in den kaiserlichen Beamtenprüfungen. Die Halle der Vollkommenen Harmonie, ein quadratischer Bau, in dem der Kaiser sich auf Zeremonien vorbereitete und einmal jährlich das Saatgut überprüfte. Schließlich die Halle zur Erhaltung der Harmonie, in der Beamte geprüft, Bankette gefeiert und Abordnungen der Vasallenstaaten empfangen wurden.

Tempel auf dem Kohleberg
der Park auf dem Kohlehügel (im Hintergrund die weiße Pagode)

auf diesen Berg stieg der Kaiser jedes Jahr
die weiße Pagode

Kurz vor dem Ausgang war noch ein zehn Meter hoher Fels. Auf diesen kletterte der chinesische Kaiser einmal im Jahr um die Besteigung der um Beijing liegenden Berge zu symbolisieren. Am Ausgang bekam ich meinen Pass wieder und lief über die Straße einen Berg hinauf. Gewaltige Erdmassen mussten bewegt werden damit der künstliche Kanal um die Verbotene Stadt gebaut werden konnte. Diese Erde wurde auf einem Hügel im Süden der Stadt aufgehäuft und ist nun der Kohlehügel. Von hier oben hatte ich einen sehr guten Blick auf die Stadt. Zwar war es etwas diesig, aber trotzdem hatte ich einige Kilometer Fernsicht. Ich spazierte durch die große Parkanlage und besichtige einige Pagoden und Tempel. Am beeindruckendsten war der Tempel der weißen Pagode. Sie wurde 1651 zu Ehren des Besuchs des Dalai Lama errichtet. Das Wetter war heute ausgesprochen schön und am Nachmittag strömten viele Chinesen in den Park. Im Gegensatz zur verbotenen Stadt waren hier nur wenige Ausländer. Ich drehte noch eine Runde um den See der Anlage und fuhr erst am frühen Abend zu meinem Hotel. Ich war ganz schön pflastermüde und fiel deswegen schon früh ins Bett.

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