Tag 2: 11.09.2005 (161 km): Express zum ostchinesischen Meer

der Nebel am Morgen versprach gutes Wetter

Nach der ersten Nacht auf der Isomatte tat mir ungewöhnlich heftig meine Schulter weh. Trotzdem war ich mit meiner Leistung mehr als zufrieden, denn auch nach mehr als 6000 Tourkilometern war ich bisher noch keine Etappe völlig allein gefahren. Heute stand eine nicht minder anstrengende Etappe auf dem Programm. Mein Ziel war es, zu einem Kumpel von Min zu fahren, der heute Abend mit seinem Wohnwagen auf eine kleine Insel im chinesischen Meer übersetzen will. Über die Entfernung konnte ich mir noch kein Urteil erlauben, denn ich konnte die Straßenverhältnisse nicht genau einschätzen. Auf dem direktesten Wege waren es etwa 130 Kilometer. Dummerweise hatte ich die Nacht nicht so gut geschlafen. Das ist aber völlig klar bei der Umstellung auf das Outdoorleben. Neben dem harten Boden, begann mein Gastgeber ab 5 Uhr christliche Texte zu lesen. Wie bereits gestern erwähnt, war er Pfarrer und mit seiner Gemeinde bildet er die nach dem Buddhismus zweit stärkste Glaubensrichtung in Korea. Immerhin sind 25 % der Menschen christlich. Zumindest wurde ich in der Nacht mehr als viermal wach und wälzte mich 8:20 Uhr aus meinem Schlafsack. Wenig später klopfte es an meiner Tür und der Pfarrersjunge brachte mir Eier und Speck mit viel Ketchup. Eine wahnsinnig nette Geste und das Essen traf genau meinen Geschmack, denn nur eine Kalorienreiche Kost ermöglichte es mir, jeden Tag mehr als 6 Stunden zu radeln. Das Wetter war angenehm, zeigte gegen 9 Uhr bereits 21°C im Schatten. Der Nebel aus den Morgenstunden hatte sich verzogen und schon bald schien die Sonne von einem azurblauen Himmel. Ich verabschiedete mich von meinen herzlichen Gastgebern und startete gegen 9:15 Uhr. Im Nachhinein ärgerte ich mich, dass ich nicht am Sonntagsgottesdienst teilgenommen hatte aber ich war einfach zu motiviert fürs Radeln. Die Fahrt machte auch gleich richtigen Spaß, denn im Gegensatz zu gestern befand ich mich auf einer Nebenstraße ohne nennenswerten Verkehr. Mein Rücken schmerzte noch etwas von der harten Nacht, aber dennoch fand ich recht schnell meinen Rhythmus und fuhr immer gen Süden.

viele Reisfelder Hügel bestimmten die Landschaft
knackige Anstiege bei über 40°C im Schatten
selbst während der Mittagspause kam ich ins schwitzen
endlich verkehrsberuhigte Straßen !!

sinnvolle Nzutung von Bushäuschen

Die Sonne stand schon hoch am Firmament und erstrahlte selbst die letzte Winkel des mit Reisterassen gefühlten Beckens. Auf einer Anhöhe lief mir ein kurzer Schauer über den Rücken, denn ich fand die Situation einfach unglaublich ... ich radelte wahrhaftig durch Korea! Gegen 11 Uhr waren 40 Kilometer geschafft. Als ich einen Abzweig verfehlte, blieb mir nichts anderes übrig, als entgegen der vierspurigen etwa einen Kilometer zu fahren. Dabei kam zum Glück kein Auto, denn der Randstreifen war recht knapp bemessen. In der Mittagszeit zwang mich die Hitze zu einer Pause. Mein Fahrradcomputer zeigt mehr als 35°C im Schatten und davon gab es leider nur wenig. Es war Sonntag und so konnte ich mein Rad auf einem leeren Schulgelände abstellen und mich ein wenig unter einer Kiefer ausruhen. Ich war der von Min empfohlenen Route gefolgt. Das Terrain der letzten Stunden kann als hügelig beschrieben werden. Die Anstiege waren moderat und zudem war es angenehm verkehrsberuhigt. Gegen 13 Uhr fuhr ich weiter nach Gongju, wo ich mir leckere Weintrauben Cola und Wasser holte und sogar die Verkäufer freuten sich über mich. Selbst in den ländlicheren Gebieten waren alle Straßenschilder auch in english ausgeschrieben, sodass ich meistens keine Probleme hatte, den richtigen Weg zu finden. Nur am Nachmittag wurde es etwas knifflig, denn in einer Ortschaft fehlten jegliche Schilder, sodass ich zu einem parkenden Auto fuhr und den örtlichen Streifenpolizisten um Rat fragte. Leider wusste er auch nur die ungefähre Richtung. Ich folgte dieser und hoffte einfach, dass es stimmte. Vor mir lagen noch gute 100 Kilometer und ich wollte Mins Kumpel auf jeden Fall erreichen. Ich folgte also immer der 799 nach Süden. Nach fünf Minuten überholte mich ein Streifenwagen. Als er um die nächste Kurve war, fuhr er Schritttempo und ließ mich wieder ran kommen. Das ging dann etwa 5 km so weiter, bis wir eine größere Kreuzung erreichten und der Polizeiwagen auf mich wartete. Breit grinsend und mit einem Victory begrüßte mich der Polizist. Ich dufte noch ein Bild machen und fuhr nun nach Südwesten zum gelben Meer. Bis Ikson passierte nichts Spektakuläres.

Das Polizeiauto (vorne) eskortierte mich etliche Kilometer

die koreanische Polizei hatte den richtigen Weg gefunden

Fischer und Händler

neue Autobahnprojekte entlasten die kleineren Straßen

Die Straße war relativ eben, die Landschaft bestand aus Strauchgewächsen und mich herum gab es nur einige wenige Hügel. Am späten Nachmittag bekam ich dann Kopfschmerzen. Das lag an der intensiven Sonneneinstrahlung und dem Mangel an Nahrung, denn seit Mittag hatte ich nur noch Weintrauben gegessen. Getrunken hatte ich dafür extrem viel. Am Nachmittag waren es 6 Liter und bis zum Abend sollten es 8 Liter werden. Wie erwartet, gab es außer mir fast keine Langnasen mehr. Gestern hatte ich noch zwei gesehen und heute keinen einzigen. In Ikson profitierte ich wieder einmal von meinem exotischen Status. Ich sprach einen Mann auf dem örtlichen Markt an und machte ihm verständlich, dass ich nach Buan wollte. Er beendete seinen Einkauf und führte mich zu der richtigen Straße. Aus Höflichkeit stieg ich vom Rad und so liefen gemeinsam über den dicht gefüllten Marktplatz.

ursprüngliches Leben am Rande der Straße

Treffpunkt der älteren Generation

sunset am ostchinesischen Meer

mein Zimmer mit 4 Ventilatoren
Ich hatte nun mehr als 100 Kilometer geschafft aber nach meiner neuen Rechnung sollte es knapp werden, denn in 1,5 Stunden war Sonnenuntergang und ich hatte noch ein gutes Stück vor mir. Das nun folgende war das schlimmste des Tages, denn es ging auf einer vierspurigen Straße weiter. Mir blieb nur der Randstreifen und die noch ungebrochene Motivation, das Meer vor Sonnenuntergang zu erreichen. Nach 150 Kilometer kam ich an meine Grenzen und musste mir eingestehen, dass ich es nicht mehr zu Mins Freunde schaffen würde. Ich hatte mir eigentlich heute nie Sorgen um eine Nachtstelle gemacht, aber als ich dann wissend, draußen schlafen zu müssen, die Gegend absuchte wurde mir wie bereits gestern der Reis zum Verhängnis. Nirgends gab es freie Flächen oder satte Wiesen. Beim nächsten Ort Eondeck fuhr ich deswegen zu einem Restaurant und fragte den Besitzer, ob er mir eine Übernachtungsmöglichkeit nennen könnte. Er wusste eine, aber die war 20 Kilometer in die entgegengesetzte Richtung. Also entschied ich mich, Min anzurufen. Min ging dann gleich ran und musste mir dann mitteilen, dass sein Kumpel bereits wieder zurück gefahren war. Das hieß für mich, dass ich mir etwas alleine suchen musste. Ich bedankte mich bei dem Restaurantbesitzer, der mir die Kosten für das Telefonat sogar erließ und machte mich schleunigst auf mein Rad, um etwas zum Schlafen zu finden. Ich hatte noch eine Stunde Zeit und sah nun endlich das Meer. Entlang der Küstenstraße fuhr ich immer nach Süden. Leider gab es keinen Sandstrand. Links führten steile Berge an die Straße heran, sodass mir klar wurde, dass ich nur in einem Minback (kostengünstige Unterkunft für 10 Euro) oder einem Hostel unterkommen konnte. Entsprechende touristische Infrastruktur fehlte jedoch, sodass ich nur bei den weinigen Fischerhäusern um einen Übernachtungsplatz bitten konnte. Beim dritten Anlauf war sogar jemand da.



das Haus meiner Gastgeber

Die älteren Leute konnten leider kein English, aber verstanden mein Problem und baten mir sofort einen freien Raum an. Ich durfte duschen und mit dem Rentnerpaar Abendbrot essen. Es gab Krabbensuppe mit Muscheln und Gimschi (scharfer Kohl und das Landesgericht schlechthin). Die Krabbe war noch zu knacken. Kein leichtes Unterfangen mit Stäbchen aber mit einem genüsslichen Lächeln wurden meine Versuche quittiert und weiter Reiswein nachgeschenkt. Gegen 21 Uhr ging ich dann in mein 12 qm großes und bis auf eine Matratze und Decke leeres Zimmer. Wenig später war ich eingeschlafen. Kein Wunder nach 161 Kilometern und mehr als 7 Stunden im Sattel.

Abendessen mit meinen Gastgebern

Statistik zum 02ten Tag

leicht bewölkt war es
Vormittag
leicht bewölkt war es
Nachmittag

Tageskilometer
161,01 km
Gesamtkilometer
295,35 km
Höhenmeter
620
maximale Höhe
121 Meter
Durchschnittsgeschwindigkeit
22,32 km/h
reine Fahrzeit
7:12:40 h
Start
09:00 Uhr
Ziel
18:30 Uhr
TopSpeed
57,8 km/h
Temperatur
27 - 32 °C
Übernachtung
----
Übernachtungshöhe
26 m über NN
Stärkungen
Kekse
Trinken


3,0 Liter Wasser
2,0 Liter Cider
2,0 Liter Saft
1,0 Liter Cola
Ausgaben
1,8 Euro für Getränke

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