Tag 7: 16.09.2005 (122 km): halbrum um die Insel

Wasserfall bei Seogwipo

Heute wachte ich gegen 8 Uhr auf. Draußen schien die Sonne und meine Waden schmerzten kaum von dem gestrigen Trip. Heute wollte ich an der Küste entlang fahren und am Abend wieder in der Hauptstadt sein. Morgen wollte ich dann wieder zum Festland zurück fahren. Ich tauschte etwas Geld (in Form von US Travelchecks) auf der örtlichen Bank und kam 10 Uhr weg. Bereits die ersten Kilometer machten richtig Spaß, denn es war flach und der Gegenwind hielt sich in Grenzen. Die Vegetation wurde durch vereinzelt auftretende Baumgruppen und Palmen bestimmt. Interessant, wie differenziert die Vegetation gegenüber dem Festland war. Zudem gab es deutlich weniger Reisfelder, dafür mehr touristische Anlagen und unterm Strich ebenso wenig freie Wiesen zum Zelten. Ein jeder, der schon einmal so eine Tour gemacht hat, entwickelt einen „Zeltblick“. Darunter verstehe ich die Suche nach geeigneten Zeltplätzen, auch wenn es im speziellen Moment gar nicht notwendig erscheint zu zelten. Zumindest gab es nur wenig gute Stellen, um ein Zelt aufzubauen. In Seogwipo (der zweit größten Inselstadt) existierten zwei Wasserfälle, deren Besuch sich sehr gelohnt hatte. Die Wasserfälle lagen in einem Park und waren von einer üppigen Vegetation umgeben. Im Süden von Seogwipo gab es ein weiteres Highlight. Dieser Wasserfall stürzte direkt vom Land ins Meer. Nur in Japan ab es noch einen größeren.

der zweit größte Wasserfall Asiens der direkt ins Meer fließt

Stärkung beim  Orangenkauf

viele vorgelagerte Inseln bei bedeckten Himmel

während meiner Mittagspause
traf ich einen Englishlehrer aus den USA


Ich bewegte mich auf der Straße 12. Dies ist eine Küstenstraße, welche um die komplette Insel geht und nur mäßigen Verkehr hatte. Ich kam gut voran und mit 27°C war es sehr erträglich. Zum Mittag aß ich meine 700 ml Obstbüchse, die ich mir gestern Abend gekauft hatte. Nach wenigen Minuten gesellte sich ein Rennradler zu mir. Er kam, wie meine gestrige Bekanntschaft, aus den USA und ist für zwei Jahre als Englischlehrer für die Grundschule auf der Insel. Wir quatschten ein paar Minuten und verabredeten uns für heute Abend 19 Uhr, sofern ich es bis dahin in die Hauptstadt schaffe. Nach der Pause wählte ich eine kleine Straße direkt am Meer. Auf Stangen wurden Tintenfische aufgehangen, um sie dann von der Sonnen und dem Wind austrocknen zu lassen. An kleineren Imbissständen wurde der frische Fang gleich zum Verkauf angeboten. Außerdem hatte ich das Glück, drei Taucherinnen zu treffen, deren Gilde seit Jahrhunderten existiert.

Lockruf der Schamanin
Es sind nie zuvor gehörte Lockrufe, die der Wind vom türkisblauen Meer an die Inselküste trägt. Ein Konzert von Girren, Gurgeln und Fiepsen. Man wagt sich auf den zerklüfteten Felsen ein paar Meter nach vorn - und sieht noch immer nichts. Kein Seeungeheuer, nichts, was einem die Geräusche erklären könnte. Eine Minute, zwei, vielleicht auch drei, dann tauchen weit draußen im Wasser anthrazitfarbene Gestalten auf und tauchen wieder ab. Das sind sie, die legendären Seefrauen, koreanisch: haenyo. Ob sie die Töne von sich geben? In Korea ist vieles exotisch. Warum nicht auch das Meeresleben? Oh Keum Sook zieht sich aus dem Wasser und setzt sich auf eine Felsplatte. Sie ist eine der in Volkslieder besungenen und auf Postkarten lächelnden Taucherinnen der südkoreanischen Urlaubsinsel Jeju. Die »haenyo« gelten als lebende Wahrzeichen. Seit Generationen gehen die Frauen an 15 nach dem Mondkalender festgelegten Tagen ins Wasser. Zwischen den Felsritzen suchen sie mit archaisch wirkenden Messern und Eisenhaken nach Muscheln, Seeigeln und anderem Getier, oft sechs, sieben Stunden am Stück. Und tragen so zum Lebensunterhalt der Familien bei. Sie tauchen zu zweit oder auch in großen Gruppen, weil die Arbeit in der rauen See gefährlich ist. Schon manch ein koreanischer Regisseur hat den »Schamaninnen des Meeres« ein Denkmal gesetzt.

Tauchen bei Frauen hat eine lange Tradition auf Jeju

ein weiterer Abschied er schwer fiel ein weiterer Abschied er schwer fiel
getrocknete Tintenfische am Straßenrand
die nicht ganz perfekten Strände im Osten

Nun war es bereits 16 Uhr und ich hatte 70 Kilometer geschafft. Bis zur Hauptstadt waren es (nur) noch 40 Kilometer. Das war machbar, jedoch passierte mir 16:20 Uhr der Horror jedes Radfahrers: ein Platten. Ich war durch ein etwa drei Meter langes Scherbenfeld gefahren, was vermutlich nach einem größeren Autounfall dort hin gekehrt worden war. Natürlich hatte ich keine Chance, und nach zehn Metern war bereits die Luft aus meinen Rad gewichen. Dummerweise war der Platten hinten. Das hieß abbauen und so suchte ich mir eine verkehrsberuhigte Nebenstraße, um den Reifen zu wechseln. Ich checkte den Mantel, aber konnte keine Scherbe ausfindig machen. Der Reifen war auf einer Länge von einem Zentimeter aufgeschlitzt und so entschloss ich mich, einen neuen aufzuziehen. Nach 30 Minuten war alles wieder verstaut und die Tour konnte weiter gehen.

ein Meer aus Scherben

mein erster Platten

nun musste alles abgebaut und das Hinterrad gewechselt werden

In 100 Minuten war Sonnenuntergang und so musste ich nun Vollgas geben und fuhr am Limit, denn ohne Straßenbeleuchtung und fehlende Fahrradlampe wäre es sehr heikel geworden. Mit den letzten Kraftreserven schaffte ich es in der Dämmerung an die Grenzen der Hauptstadt. Auf diesen Breitengraden wurde es recht schnell dunkel und ehe ich das Zentrum erreichte, war es finstere Nacht. Ich bin gleich zum Hafen gefahren und checkte erneut in meiner Unterkunft vom Mittwoch ein. Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich die Hälfte meiner Sachen in der Unterkunft gelassen und wäre mit weniger Ballast den Berg hoch gefahren. Nachdem ich einen Happen gegessen hatte, bin ich noch einmal in die Stadt, um in einem Internetcafé meine mails zu checken. Auf dem Weg dorthin traf ich zwei Hamburgerinnen, die ich dann zum PC-Room führte. Dort unterhielten wir uns ein wenig, aber sie waren mir auf Anhieb unsympathisch, denn sie regten sich über verschiedene Dinge in Korea auf. So war ihnen beispielweise das Essen zu scharf und die Luftfeuchtigkeit zu hoch. Nachdem ich etliche mails beantwortet hatte, bin ich 23 Uhr zurück zur Pension. Dort angekommen, schlief ich recht schnell ein.

Anfeuerung nach 100 km

Fischerbote gehen auf Nachtfang

seltenes Billd: ein buddhistischer Tempel
1 h vor sunset
Fischerbote gehen auf Nachtfang Fischerbote gehen auf Nachtfang
ich erreiche die Hauptstadt mit der Dunkelheit
der Hafen bei Nacht

nicht so schlimm wie es aussieht: mein Bein voller Öl


Statistik zum 07ten Tag

leicht bewölkt war es
Vormittag
leicht bewölkt war es
Nachmittag

Tageskilometer
121,76 km
Gesamtkilometer
734,37 km
Höhenmeter (Gesamt)
538 m (4601 m)
maximale Höhe
100 Meter
Durchschnittsgeschwindigkeit
20,2 km/h
reine Fahrzeit
6:13:11 h
Start
10:15 Uhr
Ziel
18:45 Uhr
TopSpeed
42,7 km/h
Temperatur
25 - 31 °C
Übernachtung
Minback in Jeju-Do
Übernachtungshöhe
10 m über NN
Stärkungen
viele motivierende Süßigkeiten
Trinken

3,0 Liter Wasser
2,0 Liter Cider
1,0 Liter Cola
Ausgaben


12 Euro für das Minback
2 Euro für Essen und Internet

3 Euro Abendbrot

Tag 6 / Tag 8


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