Tag 3: 12.09.2005 (138 km): stehende Hitze und eine Orangenplantage

traditionelle Besenflechter an der Straße

Die zweite Nacht war wesentlich entspannender als die erste. Ich bin gegen 7 Uhr aufgestanden und da meine Gastgeber draußen beschäftigt waren, schaute ich mir ihr Haus etwas genauer an. Man kam durch eine reich verzierte Holztür in einen größeren Raum, auf dessen Boden zahlreiche Kissen lagen, auf die man sich zum Tee oder Fernsehen hinsetzte. Über der außerordentlich großen Hifi-Anlage befand sich eine Bild der gesamten Familie. Die vier Kinder, von denen drei Frauen waren, lebten jetzt sicherlich in der Stadt. Das ist im übrigen der allgemeine Trend in Korea. Alles zieht nach Seoul oder Pusan. Das landwirtschaftliche Umland wird immer bevölkerungsärmer und die Bevölkerung immer älter. Mein Schlafraum war sicherlich früher das Zimmer einer der Kinder gewesen. Ich aß eine Scheibe Toast mit Nutella von meinen Vorräten, und bepackte gegen 8:30 Uhr mein Rad. Mein Gastgeber war gerade bei seiner Kuh und reinigte danach den Hof mit einem Wasserschlauch. Ich schenkte ihm zum Abschied ein Bild aus einer vergangenen Reise. Er verabschiedete sich mit typisch asiatischer Handbewegung, die an ein „kusch kusch, bitte gehe“ erinnert. Weiß man die Gepflogenheiten einzuordnen, dann ist der relativ emotionslose Abschied durchaus normal auch wenn er etwas befremdend wirken mag.

Reisfelder und die Bvon-Gun-Berge

Mittagessen mit Gimchi und Suppe

Ich machte mich bei Sonnenschein auf zur Küstenstraße. Auf der Karte war ein Nationalpark ganz in meiner Nähe verzeichnet. Da ich schon immer einen koreanischen Nationalpark von innen sehen wollte, nahm ich diesen 20 Kilometer langen Umweg gern in Kauf. Der Abzweig zum Park ließ nicht lange auf sich warten. Zu meiner Freude lag er direkt im hügeligen Gelände. Da meine Wasservorräte fast verbraucht waren, holte ich mir Cidre und Wasser in einem kleinen Laden. Mit einem knackigen Anstieg führte die Straße bis auf 169 Höhenmeter in den Park. Bei der Hitze kam ich wieder sehr schnell ins Schwitzen. Erfreulicherweise kam der ohnehin geringe Autoverkehr im Nationalpark völlig zum Erliegen. Es war Montag und keiner schien Zeit und Lust auf Wald und Berge zu haben. Umso besser gefiel es mir. Man konnte endlich wieder an jeder erdenklichen Stelle – auch in uneinsichtigen Kurven – halten und Bilder machen, ohne Gefahr zu laufen überrollt zu werden. Nach dem ersten Anstieg befand ich mich auf einem welligen Hochgelände Mich umgaben teils bewaldete Hänge und ein kleiner See. Über ein fast ausgetrocknetes Flussbett führte eine solide Stahlbrücke, die jedoch mit ihrer massiven Bauweise nicht so recht in die Umgebung passen wollte. Als ich jedoch über einen Sattel wieder zum Meer fahren wollte, endete die Straße in einer Schotterpiste. Jetzt konnte ich nur noch zwei Bauarbeiter fragen, die mich schon die ganze Zeit beobachtet hatten. Sie freuten sich sehr, mir helfen zu können, auch wenn ihre Auskunft ernüchternd war, denn es hieß wieder umdrehen und einen anderen Weg benutzen. Da waren wohl die koreanischen Kartographen ihrer Zeit voraus und hatten eine Straße eingezeichnet, die in dieser Form nicht existierte. Ich musste also einen größeren Bogen zurück fahren um über die 736 auf die 705 zu gelangen. Beide Straßen waren gelb verzeichnet. Meine dreitägige Koreaerfahrung sagte mir, diese Straßen sind mäßig gefahren. Diesmal sollte die Angabe stimmen und ich konnte auf der angenehm gering befahrenen Straße bis zur roten 23 rollen. Rechts von mir lagen die Bvon-Gun-Berge und ich fuhr auf topfebener Straße bis Gulpo. Dort kaufte ich mir etwas Wasser und weiter ging es. Wahrscheinlich hatte ich mich an die Strapazen langsam gewöhnt, denn heute machte mir weder der Rücken oder die Hitze zu schaffen. Trotzdem hatte ich dann pünktlich zur Mittagszeit Hunger. Deswegen bin ich eingekehrt. Für alle, die noch nie beim Koreaner waren eine kurze Einführung: Man darf ein Restaurant nur ohne Schuhe betreten. Die Esshöhe ist etwa 50 cm und deswegen setzt man sich im Schneidersitz vor das Tischchen. Das Essen hatte ich mir immer durch Zeigen bei anderen Leuten oder einfach per Zufall ausgesucht. Man bekommt dann nach wenigen Minuten eine große Suppe und zahlreiche Schälchen gereicht. Je nach lokaler Ausrichtung finden sich verschiedene Spezialitäten des Hauses und meistens sind Meeresfrüchte in den Schalen. Bei mir befanden sich noch Mungobohnen und Käferlarven in den weiteren Schälchen. Das traditionelle Gimschi darf natürlich auch nicht fehlen. Erstmals probierte ich feurige Sardinen. Diese waren klein aber oho und zwangen mich zum häufigen Griff nach dem Tafelwasser. Dieses wird kostenlos geliefert und ebenso wie das Essen immer wieder nachgereicht. Am Ende bezahlt ich 3000 Won, was etwa 2,80 Euro entspricht. Der einzige Nachteil am koreanischen Essen sind seine fehlenden Kalorien und so bekam ich schon nach 2 Radstunden wieder Hunger. Ein Marsriegel schafft da zumindest vorrübergehend Abhilfe. Am Nachmittag nahm ich die Überquerung zweier kleinerer Gebirgszüge in Kauf, um nicht auf der stark befahrenen Hauptstraße fahren zu müssen.

Mittagspause

wird hier neuer Rasen verlegt ..?

Grabhügel am Wegesrand

im Hintergrund sieht man einen weiteren Grabhügel

Ich nahm mir vor, heute nicht Vollgas zu geben und setzte mir als Ziel etwa 100 Kilometer zu fahren. Bei Ponjeong fuhr ich auf die 893. Im örtlichen Supermarkt kaufte ich mir Wasser und ein Eis. Als ich raus kam, fragte mich ein Polizist, ob ich immer auf mein Geld aufpassen würde. Freundlich nickend nahm ich seine Besorgnis zur Kenntnis und radelte weiter. Nun ging es das erste mal über einen Höhenzug von mehr als 200 Meter über NN. Ich fand sogar auf Anhieb eine kleine Straße, die mir den Verkehr ersparte. Neben der Straße sah ich sogar einige Wiesen mit kleinen Hügeln, auf denen teilweise aus Stein gefertigte Monolithen standen. Hier hätte es sich durchaus angeboten zu nächtigen. Wie ich später erfuhr, befanden sich unter den Grasflächen die sterblichen Überreste von wohlhabenden Koreanern, deren Familien sich neben einem Grabstein aus Granit auch die Bodenpreise leisten konnten. Als ich von Reisfeldern umgeben war und ein Militärhubschrauber über mir kreiste, war der Eindruck mitten im Vietnamkrieg zu sein fast perfekt. Auf den folgenden Kilometern kam ich bei einem kleinen See vorbei, der touristisch gleich von drei Hotels umgeben war. Ich gönnte mir einen kurzen Stop, aber verzichtete auf ein Bad, denn das Wasser war nicht besonders sauber. Von der 816 fuhr ich dann auf die 23. Hier erwartete mich ein hohes Verkehrsaufkommen, sodass ich gleich wieder auf die 831 auswich. Auf kleineren Umwegen konnte ich dann die fünft größte Stadt des Landes Gwangju (1,5 Millionen Einwohner) zügig umfahren. Nun waren es noch 1,5 Stunden bis zum Sonnenuntergang. Ich rollte auf der reizvollen 831 bis Naju. Das war ein Fehler! Ich hätte nicht soweit fahren dürfen, denn bereits in den Randbereichen gab es absolut keine Chance, im Freien zu schlafen. Was folgte war nerviger Stadtverkehr und ich trat ordentlich in die Pedalen, um auf der anderen Seite hinter der Stadt eine billige Unterkunft zu finden. Nur mit höchster Konzentration konnte ich mich durch den Stadtverkehr schlängeln und erreichte nach knapp 130 Tageskilometern die Randbezirke von Naju. Dort belohnte ich mich mit einem Cola, Eis und Wasser und hatte nun noch 20 Minuten bis zum Sonnenuntergang. Es gab auch kein Minback (billige Unterkunft) in der Nähe, so dass mir nichts anderes übrig blieb, als bei Leuten zu fragen. Dummerweise war das nächste Dorf fünf Kilometer entfernt und ich war mir sicher, wenn ich eine Chance auf ein Zimmer haben wollte, musste ich vor Sonnenuntergang ankommen. Ich radelte also mit Vollgas – nach mittlerweile mehr als 130 Tageskilometern - in das Dorf. Dummerweise war kein Lebenszeichen in der 10-Häuser-Gemeinde.

Übernachtungssuche: viele Mücken dafür überdacht
... hier war die Besitzerin erst letzte Woche gestorben

Als ich etwas leicht nervös die Ortschaft verlassen wollte, kam gerade eine Frau in einem weißen Transporter. Ich erzähle ihr von meinem Problem und bat sie um Hilfe. Sie führte mich zu einem Pavillon, den die Senioren gerne an heißen Sommertagen aufsuchen, da er überdacht ansonsten aber offen war. Eine ideale Liegefläche von 20 qm. Das einzige Problem war jedoch der Bach bei dem Pavillon und die dadurch zahlreichen Mücken. Als nächstes zeigte mir die Frau ein Bauernhaus. Die Besitzerin sei vor wenigen Tagen gestorben. Der Strom war bereits abgestellt. Ich war zwar müde, aber ob ich zum Schlafen gekommen wäre, bezweifelte ich. Somit war die gute Frau mit ihren Angeboten am Ende und entschied sich, mich mit zu sich nach Hause zu nehmen. Sie waren Farmer und ihr einziger Sohn hatte 10 Tage Pause beim Militär, um bei der Ernte zu helfen. Sein Vater empfang mich überschwänglich herzlich und als ich noch eine halbe Stunde beim Stiegen packen half, war er restlos begeistert. Der Junge war 21 und taute nach einigen Minuten auf. Er sprach sogar recht gut English und freute sich total über die Abwechslung. Er entschuldigte sich gleich, dass er erst etwas ruhig war, aber hinter ihm lag einen lange Zug und Busfahrt durch Korea. Seine Kaserne war im Norden und der Weg zu seinem Elternhaus dauerte fast einen ganzen Tag. Ich durfte mich duschen und anschließend gab es Essen. Seine Großmutter hatte vor uns gegessen und sich dann zurück gezogen. Seine Mutter kann English verstehen aber nur etwas sprechen. Trotzdem hielt sie sich in unserer Nähe auf, um unserem Gespräch zuzuhören. Wir aßen Kürbis, Fleisch, Fisch und ich durfte auf der Wohnzimmercouch schlafen. Ich unterhielt mich mit dem Jungen bis 22 Uhr. Sein Vater zeigte mir noch die Firmenwebsite, worauf er äußerst stolz war. Er war der elft größte Birnenproduzent Koras und der größte seiner Provinz. 23 Uhr legte ich mich dann hin und schlief sofort ein.

auf dieser Farm wurde ich shcließlich aufgenommen

mein "Gastbruder" leistet Militärdienst und macht gerade Erntehelfer

hmm .. Abendbrot



Statistik zum 03ten Tag

leicht bewölkt war es
Vormittag
leicht bewölkt war es
Nachmittag

Tageskilometer
138,41 km
Gesamtkilometer
433,76 km
Höhenmeter (Gesamt)
892 (1923)
maximale Höhe
209 Meter
Durchschnittsgeschwindigkeit
19,67 km/h
reine Fahrzeit
7:02:03 h
Start
09:00 Uhr
Ziel
18:45 Uhr
TopSpeed
49,6 km/h
Temperatur
27 - 36 °C
Übernachtung
----
Übernachtungshöhe
59 m über NN
Stärkungen
Marsriegel
Trinken


6,0 Liter Wasser
1,0 Liter Cola
0,5 Liter Cider
0,5 Liter GreenTea
Ausgaben

8 Euro für Essen und Getränke

Tag 2 / Tag 4


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