Tag 20 : 23.08.2004 (112 km): der Polarkreis ist geknackt

Heute sollte es soweit sein: wir wollten die 100 Kilometer bis zum Polarkreis bei Rovaniemi fahren. Damit wir keinen Stress bekommen, hatten wir uns den Wecker auf 7 Uhr gestellt. Ich hatte die Nacht nicht besonders gut geschlafen. Entweder war es die Aufregung oder der Regen, der immer wieder an unser Zelt prasselte. Und auch heute Morgen sah es kaum besser aus. Als ich mit dem Kopf aus dem Zelt schaute, spürte ich den leichten Nieselregen. Zudem war es sehr frisch. Meine Schuhe waren noch immer nass und so entschied ich mich, erst einmal mit Sandalen raus zu gehen. Marie und Robert begannen schon zu essen, während Mäfju noch seine letzten Sachen packte. Als der Regen stärker wurde, legte ich mich wieder zurück ins Zelt. Ohne Strümpfe hatte ich auch gefroren und wärmte mich im Schlafsack. Es war nicht gerade ein optimistischer Start in den Tag. Auch Robert hatte noch nicht die Motivation das Zelt abzubauen und setzte sich ebenfalls noch einmal ins Zelt. Sein Schlafsack war noch immer nicht richtig trocken, aber wenn alles gut geht, muss er ihn jadiesen Urlaub nicht mehr benutzen. Ich begann, meine Sachen zusammen zu packen. Als Robert und ich das Zelt abbauten, waren Mäfju und Marie längst fertig und warteten unter einem Baum auf uns. Die beiden waren schon etwas genervt weil wir nicht gleich mit dem Abbau begonnen hatten und nun war es bereits 9:50 Uhr. Drei Stunden Startphase dauern natürlich eindeutig zu lange. Umso mehr trat ich in die Pedalen um einmal mehr den Windblocker zu spielen. Nach wenigen Kilometern wurde der Regen immer heftiger. Wie es bei uns im Regen üblich ist, fährt nun jeder sein Tempo. Ich hielt meinen 25 km/h –Schnitt. Einzig mein Hinterrad machte mir Sorgen. Mittlerweile fehlten zwei Speichen und das Rad eierte. Seit gestern hatte sich der Zustand deutlich verschlimmert. Langsam begann auch meine Bremse an dem Rad zu wetzen und ich war froh, daß es nicht mehr als 100 Kilometer zu fahren waren. Trotzdem musste ich mich auch auf die Straße konzentrieren, denn Starkregen hatte eingesetzt. Ich fuhr diesmal mit kurzer Radhose, darüber meine Regenhose, meinem Trikot und der Regenjacke. So blieb ich halbwegs trocken, nur meine Füße waren nach 10 Minuten nass. Zwar nützt es eine Mülltüte anzuziehen um die Strümpfe vor nassen Schuhen zu bewaren, doch wenn es wieder regnet, suppt trotzdem alles rein. Ich fuhr fast eine Stunde alleine vorne, bis ich anhielt, austrat und acht Minuten auf die anderen wartete.


Robert beim Zeltabbaut

Robert und Mäfju nach dem heftigen Schauer
der Hunger siegt: Marie beim Haribo einsammeln
Mäfju führt das Feld durch den Regen Ich hatte genügend Zeit, meine Kamera in Position zu bringen und einige Photos zu machen. Vereint fuhren wir noch zwanzig Minuten. Dann hatte der Regen aufgehört und wir zogen uns um. Ich behielt soweit alles an und öffnete nur meine Regenjacke zum Durchlüften. Das Profil war wellig und stieg tendenziell leicht an. Das Terrain gefiel mir nur, hemmte mich mein Hinterrad nun immer mehr. Während Robert für einige Kilometer vorne fuhr, konnte ich mich ausruhen und mit Mäfju über die nächste Tour quatschen. Die wollten wir wieder im Frühjahr machen, wenn es wieder schön warm ist.

Eigentlich ist ja immer noch Sommer (23.August) aber davon bekommt man hier oben nicht mehr viel mit. Das Thermometer zeigte nicht mehr als 15 Grad.
Bei dem Abzweig nach Rovaniemi fanden wir auch einen Supermarkt. Ich blieb freiwillig draußen, um meine Sachen zu wechseln. Ich zog meine nassen Schuhe und Strümpfe aus und wechselte sie gegen meine Sandalen, in die ich zwei Plastiktüten zog. Als Robert mich sah, meinte er: „du kennst wohl alle Pennertricks“ und ich sollte recht behalten, denn die Plastiktüten waren fast so warm wie richtige Strümpfe. Ich kaufte mir dann noch für 8,49 Euro Nahrungsmittel und Schokolade und fuhr dann mit den anderen zu einem kleinen Unterstand. Dort aßen wir Mittag und sahen eine Gewitterfront heran ziehen. Sie bewegte sich ebenfalls nach Rovaniemi. Wir entschieden, trotzdem los zu fahren. Die 20 Kilometer bis nach Rovaniemi konnten wir auf dem Radweg fahren. Viele Wurzeln hatten den Asphalt aufgerissen und ich musste verstärkt aufpassen, wohin ich fuhr, denn meine Acht machte mir immer mehr Sorgen.



der Hunger siegt: Marie beim Haribo einsammeln
letzter Zwischenstopp vor dem Rovaniemei
der Radweg war sehr holprig
Gewitterwolken begleiten uns bis nach Rovaniemi
12°C: Conrad mit Sandalen am Bahnhof


Als wir Rovaniemi erreichten, war das Gewitter bereits weiter gezogen und wir waren diesmal trocken geblieben. Am Bahnhof kauften wir uns die Tickets für den Nachtzug nach Helsinki. Ein Studententarif wird nur dann gewährt, wenn wir auch in Finnland studieren und so mussten wir den vollen Preis von 75 Euro pro Person für eine Schlafkabine bezahlen. Diese war nur für drei Leute ausgelegt, aber Marie erklärte sich bereit, auf dem Boden zu schlafen. Wir hatten jetzt noch fünf Stunden Zeit und fuhren zu unserem Ziel: dem Polarkreis. Dieser lag nur einige Kilometer hinter der Stadt. Wir folgten der „74“ und erreichten nach sieben Kilometern vier Schilder auf der Straße. Laut Karte müsste hier der Polarkreis sein, doch kamen uns die Wegmarkierungen etwas wenig vor. Ich klingelte an einem Haus in der Nähe und fragte die Besitzerin, ob hier der Polarkreis ist. Sie musste schmunzeln, als ich ihr erzählte, dass wir mehr als 2000 Kilometer gefahren sind, um diesen Punkt zu erreichen. Und sie bestätigte mir meine Vermutung: dies war der Polarkreis. Ich kam zurück und verkündete unserem Team die Botschaft.


der Hunger siegt: Marie beim Haribo einsammeln
wir sind am POLARKREIS !
unsere Räder am Polarkreis
Conrad postiert die Kamera
.undmacht dieses Gruppenbild


unser Team vereint am Schikd

unsere Räder am Polarkreisschild


der Hunger siegt: Marie beim Haribo einsammeln
das Original-Polarkreisschild
vier Schilder auf der Straße kennzeichnen den Polarkreis


Mir gefiel die Situation, denn das Ziel war so minimalistisch das es irgendwie gut war. Besonders Mäfju hatte sich etwas größeres erhofft. Trotzdem waren wir alle froh, zusammen bis hier hin gekommen zu sein. Wir machten über eine halbe Stunde verschiedene Bilder von uns an den Polarkreisschildern. Bis zu diesen Punkt waren wir 2275 Kilometer in 98 Stunden gefahren. Wie ich später erfuhr, gab es tatsächlich noch eine richtige Polarkreisstation mit einer Markierung auf der Straße (wie in Greenwich), einem Weihnachtsmann der Wünsche entgegen nimmt und einem Briefkasten, bei dem die Briefe erst zu Weihnachten ankommen. All dies hätten wir gesehen, wenn wir die zweite Straße aus der Stadt raus gefahren wären. Wir fuhren wieder zurück in die Stadt und kauften ein. Nun wollten wir uns noch einmal duschen und fuhren deswegen auf den Zeltplatz. Duschen war leider nicht möglich, denn nur wer campt, darf auch duschen. Man verwies uns zur Stadtschwimmhalle. 10 Minuten bevor sie geschlossen wurde, checkten wir ein und genehmigten uns die längst überfällige warme (!) Dusche. Es war nun 20 Uhr und wir rollten zum Bahnhof. Unsere Räder mussten wir komplett abgepackt in einem speziellen Gebäude abgeben. Unser gesamtes Gepäck mussten wir nun in unserem kleinen Schlafabteil verstauen.


warten auf den finnischen Nachtzug
mit diesem Zug gings nach Helsinki
Abendbrot in unserer Kabine
Mäfju hat die beste Sicht aber auch die schlechteste Luft
Marie schläft freiwillig auf dem Boden Drei Betten waren übereinander angeordnet. Ich schlief in der Mitte und Mäfju ganz oben fast unter der Decke. Ich war schon oft geflogen, aber diese Zugfahrt war ein neues tolles Erlebnis. Die Matratzen waren weich und ich genoss es, wieder einmal im Bett liegen zu können. Wir aßen Abendbrot, wobei ich gleich in meinem Bett liegen blieb. Die Wärme im Abteil hatte sich gelegt und es war angenehm kühl. Am Fenster zog Finnland an uns vorüber. Wir fuhren durch die schwarze Nacht, vorbei an Wäldern, einigen Ortschaften und vielen Seen. Es regnete, doch wir lagen nicht im Zelt sondern in unseren trockenen Betten.




Statistik zum 20ten Tag

leicht bewölkt war es
Vormittag
leicht bewölkt war es
Nachmittag

Tageskilometer
112,28 km
Gesamtkilometer
2275,28 km
Durchschnittsgeschwindigkeit
20,71 km/h
reine Fahrzeit
5:25:10 h
Start
9:50 Uhr
Ziel
18:00 Uhr
TopSpeed
40,7 km/h
Übernachtung
im Nachtzug nach Helsinki


Tag 19 / Tag 21

bilder und texte sind urheberrechtlich geschützt © by conrad philipp 2002 - 2005