Tag 21 : 24.08.2004 (13 km): unser Tag in Helsinki und der Schock zum Abend

die Uspenski-Kathedrale

Die erste Nacht die ich in einem Schlafabteil verbracht hatte, endete mit dem Klingeln unseres Weckers. Ich hatte sehr gut geschlafen und wurde, entgegen meiner Befürchtungen, auch dann nicht wach, als der Zug mehrere Male hielt. Draußen schien bereits die Sonne und wir aßen in unseren Betten. Pünktlich 8:40 Uhr kam unser Zug in Helsinki an. Ich freute mich auf die Besichtigung der finnischen Hauptstadt. Unsere Räder waren schnell aus dem Gepäckwaggon geholt und nachdem wir unsere Taschen befestigt hatten, schoben wir die Räder durch das Bahnhofsgebäude zum Fahrkartenschalter. Mäfju fragte nach einer Verbindung nach Hanko. Von dort wollten wir mit der Fähre zurück nach Rostock fahren. Die Dame am Schalter sagte ihm, dass es keine Verbindung mehr geben würde. Das fand ich sehr komisch, denn noch im rad-Forum hatte mir ein Wiener geschrieben, das er im Juli 2004 (es waren keine 5 Wochen her) diese Strecke gefahren war. Mit dem Rad wären es mindestens 100 Kilometer bis zum Hafen gewesen. Robert ist dann noch zu einem anderen Schalter, während Marie und ich Postkarten kauften. Es gab herrliche Motive und die Karten waren mit 60 cent auch nicht so teuer wie in Schweden (umgerechnet 1,2 Euro). Als ich wieder zurück kam, hatte auch Robert gute Nachrichten. Es gibt eine Verbindung nach Hanko und er hat auch gleich vier Karten für uns gekauft. Das war für Mäfju und mich etwas überraschend, denn eigentlich wären wir noch gerne einen Tag länger in Helsinki geblieben und in wir hatten noch nicht entschieden, wie wir verfahren. Da ein Umtausch der Zugtickes nicht möglich war, mussten wir die Situation hin nehmen. Uns blieben nun noch 9 Stunden für einen Stadtbummel. Etwas enttäuscht mussten wir uns von Robert anhören, dass ein Tag in Helsinki reicht, denn er war vor einigen Jahren schon einmal hier gewesen. Damit wir trotzdem genügend von der Stadt zu sehen bekommen, schlossen wir unser Gepäck im Bahnhof für drei Euro ein. Unsere Räder waren jetzt derart leicht, dass wir Mühe hatten, gerade zu fahren. Bei strahlenden Sonnenschein begann unser Citytrip. Es war auch warm und so fuhr ich mit Sandalen und kurzer Hose.
Wir fuhren dann zur Uspenski-Kathedrale, ihr vorgelagert ist der Senatsplatz. Beeindruckend war die Freitreppe, die nahezu über die gesamte Breite des Platzes hinauf zum Domportal führt. Zwischen sechs hohen Säulen wirkt der Eingangsbereich geradezu niedlich. Mein Blick wanderte hinauf zur großen, grünen, alles überragenden Kuppel.
Das architektonische Ensemble des Senatsplatzes und des Stadtzentrums stammt vom Reißbrett des Berliner Architekten Carl Ludwig Engel, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts den Auftrag der Neugestaltung erhielt, nachdem ein Feuer große Teile der Innenstadt vernichtet hatte. Es entstand ein großzügiges Stadtbild im klassizistischen Stil. Helle Fassaden, breit angelegte Straßen prägen die „weiße Stadt des Nordens“ heute noch. Im Zentrum des Senatsplatzes steht das Bronzestandbild des Zaren Alexander II., einstiger Großfürst von Finnland. Sein Blick weist hinaus aufs Meer, in Richtung des Südhafens, der unmittelbar an das Stadtzentrum heranreicht.

bevor es los geht schließen wir unser Gepäck weg
Gruppenbild in Helsinki
auf dem üppig gefüllten Wochenmarkt
Klassizismus in Reinkultur

Vor der Kathedrale machten wir einige Gruppenbilder. Der Kontrast zwischen der weißen Kirche und dem blauen Himmel war sehr intensiv. Als nächstes fuhren wir dann zum Hafen. Auf dem benachbarten Markt, direkt neben dem Hafen, verkauften Bauern, Kunsthandwerker und Souvenirverkäufer ihre Waren: Vielerlei Beeren, Weintrauben, Kirschen, Paprika und Karotten, Berge von Kartoffeln und Blumenkohl. Meist stammen die Produkte aus landwirtschaftlichen Betrieben des Umlandes. Bunt ist das Angebot an Blumen. Frauen verkaufen auch selbstgefertigte Puppen, Handgestricktes, Pelzhandschuhe und Wollmützen.
Wir sind einmal rum gefahren und ich entdeckte noch einen Verkäufer, der schöne schwarz/weiß Fotografien der Stadt verkaufte. Als Andenken kaufte ich mir eine Photographie. Sie hatte 16 Euro gekostet. Mäfju wollte sich eigentlich noch eine Holztasse kaufen aber als er die Preise sah (30 Euro), verzichtete er lieber.
Nördlich des Hafens befand sich die Prachtstraße Esplanaden. Weit ausladende Baumreihen verleihen der Allee ein parkähnliches Flair. Am Westende liegt das Schwedische Theater, ein halbrunder Bau, der ursprünglich ebenfalls auf einem Entwurf Engels basiert. Bänke und kleine Plätze mit Brunnen laden zum Bummeln und Verweilen ein.

die letzten Postkarten werden geschrieben
zum Mittag gibts FRISCHEN Fisch
am Südhafen von Helsinki
Robert und Mäfju - im Hintergrund eine Schereninsel


Wir fuhren zu einem Cafe an der Allee und aßen dort etwas zum Frühstück. Marie malte noch für Ritzel (den Verkäufer unserer Räder) eine Postkarte und ich fotografierte ein wenig in der Umgebung. Besonders schön waren die klassizistischen Gebäude und ein eleganter Springbrunnen. Es zogen auch einige Quellwolken auf und verdunkelten die Sonne. In meinen Sandalen wurde mir nun kalt. Nachdem wir die letzten Postkarten geschrieben hatten fuhren wir wieder zum Hafen und kauften uns dort frischen Fisch (Lachs für 4,50 Euro). Wir aßen direkt am Hafen und hatten etwas Mühe, alle Möwen von uns fern zu halten. Einmal mehr gefiel mir das Flair dieser nordischen Stadt. Bereits im Sommer 2002 hatten wir Bergen und Oslo besucht und Helsinki stand ihnen in nichts nach. 13:30 Uhr hatten wir aufgegessen und radelten nun noch etwas in der Umgebung herum. Viele Scheren waren der Stadt vorgelagert und auf jeder der kleinen Inseln befand sich ein Privathaus, welches nur per Boot zu erreichen war. Auf einer kleinen Anhöhe hatten wir noch einen schönen Blick auf die Stadt. Wir fuhren noch einmal zur orthodoxen Kirche und stellten dort unsere Räder ab. In einem Geschenkladen suchte Robert vergebens etwas für seine Freundin. Wir liefen dann zum Stadtzentrum. Die Straßen waren breit angelegt und die Läden machten einen sehr guten Eindruck. Nur leider wollte keiner shoppen gehen. Ein Eis gönnten wir uns dann trotzdem noch. Normalerweise Essen die Finnen nicht so viel Eis (im Winter haben sie ja auch genug davon) und so kostete eine Kugel mehr als 2 Euro. Nachdem wir aufgeschleckt hatten, holten wir uns noch im Supermarkt die Verpflegung für unsere Fährfahrt. Wir kauften uns Süßigkeiten, Brot, Saft und füllten am Ende fünf große Einkaufstüten. Diese schleppten wir dann zu unseren Rädern und fuhren zum Hauptbahnhof, der aus rotem Backstein erbaut wurde.
Dort angekommen, holten wir unser Gepäck aus den Schließfächern und sortierten es so um, dass wir auf der Fähre nicht lange packen und nur noch eine Tasche mitnehmen mußten. 18 Uhr kam unser Zug. Die Tickets hatten wir ja bereits gekauft und mussten dann nur noch einsteigen. Unser Gepäck mussten wir komplett abschnallen, was ziemlich zeitaufwendig war, denn das Fahrradabteil lag drei Waggongs neben dem Sitzabteil und wir mussten alles auf dem Bahnsteig hin tragen. Erleichtert setzten wir uns. Wir hatten nun eine Stunde Zeit, uns auszuruhen, bis es noch einmal schnell gehen mußte. Es sollte nämlich noch ein Zwischenstopp sein, bei dem wir wieder alle Räder raus holen müssen, sie bepacken und zum anderen Gleis schleppen müssen. Für das ganze Unternehmen hatten wir 9 Minuten Zeit! Es war utopisch anzunehmen, dass uns dies in solch kurzer Zeit gelingen könnte (unser Rekord auf der Hinfahrt lag bei 13 Minuten). Robert rollte deswegen vor und bequatschet den Schaffner, dass dieser auf uns warten sollte. Mäfju, Marie und ich packten alles in Windeseile auf die Räder fuhren zum Bahngleis. Zwischen uns und dem anderen Zug lag noch einmal eine Unterführung – also wieder Räder in die Hand und die Treppen runter und wieder hoch tragen. Es war Streß5 aber am Ende schafften wir es. Der Zug war sowieso kaum besetzt und endete in Hanko, aber trotzdem war es sehr nett gewesen, dass für uns extra 5 Minuten gewartet wurde. Die Fahrt nach Hanko dauerte keine halbe Stunde und dort konnten wir dann in aller Ruhe unsere Sachen wieder auf die Räder bauen und die drei Kilometer zum Hafen rollen.

Sachen auspacken: unsere Ankuft in Hanko
215 EURO mustte gerade jeder für sein Ticket hinlgen
Robert und Mäfju rollen auf die Fähre

Robert und Mäfju holten die Tickets und Marie passte mit mir auf die Räder auf. Das Wetter war sehr gut, nur in den Abendstunden wurde es mit meinen Sandalen etwas kühl , aber auf dem Schiff kann ich mir ja dann richtige Schuhe anziehen. Doch mit geknickten Gesichtern kamen die Jungs wieder zurück. Was war geschehen ..? Eigentlich wollten wir einen Schlafsitz kaufen. Dieser hätte 105 Euro gekostet. Leider war diese günstigste Reiseversion bereits ausverkauft und das obwohl die Saison vorbei war. Damit hatte keiner gerechnet. Alternativ konnten wir nur noch eine Außenkabine für 215 Euro pro Person beziehen. Das war schon deutlich mehr und so mussten wir erst einmal darüber nachdenken. Die Schlafsitze waren auch für die nächsten Tage ausverkauft und es hätte auch keinen Sinn gemacht, die Zeit in Hanko zu warten, denn dort hätten wir auch noch einmal Geld gelassen. Also stand für mich die Entscheidung fest, in den sauren Apfel zu beißen und jetzt zu fahren. Ich rief aber noch schnell meinen Chef an, ob ich gleich nächste Woche bei ihm arbeiten könnte. Wenn ich ihm eine Flasche Wodka mitbringe, „kann ich auch schon in zwei Tagen kommen“, meinte er. Für Robert und Marie stand es auch relativ schnell fest, gleich zu fahren. Mäfju haderte noch ein wenig, beugte sich aber dem Preis und wir kauften die Tickets. Vorbei an der Autoschlange sind wir dann 21 Uhr auf die Fähre gefahren. Im Unterdeck befestigten wir unsere Räder und nahmen unser Gepäck mit nach oben. Die Stimmung war natürlich nun etwas gedrückt, aber dafür entschädigte uns unsere Kabine mit Blick auf das Meer und eine Dusche mit warmen Wasser auf dem Zimmer. Als erstes duschten wir natürlich und dann stellten wir unsere Schuhe in den Kleiderschrank, damit sie nicht den ganzen Raum vergasten. Wir überlegten außerdem, wie es nach der Ankunft der Fähre weiter gehen wird. Max half uns und fand einen Zug, der bereits 22 Uhr in Rostock los fuhr. Wir müssten aber irgendwo in der Nacht ewig warten, um dann total gerädert am nächsten früh in Jena anzukommen. Die zweite Möglichkeit wäre gewesen, bei Iris in Rostock um Asyl zu bitten, aber eigentlich wollte ich keinen Freund unseren sportlichen Geruch zumuten. Robert machte noch den Vorschlag, bis nach Berlin zu fahren und dann könnten wir auch bei ihm übernachten. Am nächsten Tag könnten wir dann relaxed nach Jena fahren. Das klang gut, nur hatte Robert eine Untermieterin in seiner Wohnung und es war eine Kulanzfrage, ob sie das mitmachen würde, denn sie müsste dann für eine Nacht in der Küche schlafen. Unser smarte Robert konnte sie dann recht schnell überzeugen. Nachdem das geklärt war, hatten wir endlich Zeit, in den Schiffsshop zu gehen. Dort kauften wir Süßigkeiten, Wein und Wodka und begaben uns in den Familienspielraum.

Mäfju öffnet den Wodka
... und erklärt ihn für ausgezeichnet!
Robert beim "Verräter" spiele
der Alkohol hilft die Übersicht zu behalten

Es war schon lustig, das Zeug hier zu trinken. Hinter uns saß noch eine sächsische Gruppe von jungen Erwachsenen, die ganz gepflegt Bohnanza spielten. Wir zockten Verräter. Mäfju spielte es zum ersten mal und wurde auf Anhieb dritter. Ich konnte alle abziehen und gewann erneut. Mit Hilfe des Alkohols unterhielten wir uns dann noch sehr angestrengt über die Zukunft und unsere nächsten Touren. 1 Uhr sind wir dann auf unser Zimmer und ich schrieb noch bis 2:15 Uhr Tagebuch. Die See war bisher sehr ruhig gewesen und nur ab und zu sah ich ein Schiff in weiter Ferne auf dem Meer schippern.





Statistik zum 21ten Tag

leicht bewölkt war es
Vormittag

leicht bewölkt war es
Nachmittag


Tageskilometer
13,25 km
Gesamtkilometer
2288,53 km
Durchschnittsgeschwindigkeit
8,75 km/h
reine Fahrzeit
1:30:48 h
Start
9:45 Uhr
Ziel
21:00 Uhr
TopSpeed
27,3 km/h
Übernachtung
auf der Fähre in der Ostsee


Tag 20 / Tag 22

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